Studie zu Kultureller Teilhabe in Berlin
Studie zu Kultureller Teilhabe in Berlin: Noch keine Erholung von den Besuchseinbrüchen während der COVID-19-Pandemie
Einige große Kultureinrichtungen vermelden nach der Pandemie wieder erfreuliche Auslastungszahlen. Ist die Publikumskrise also überwunden? Die aktuelle Studie „Kulturelle Teilhabe in Berlin 2023“ des Instituts für Kulturelle Teilhabeforschung (IKTf) zeigt: Ungeachtet der positiven Besuchszahlen einzelner „Publikumsmagnete“ hat sich die Teilhabe der Berliner Bevölkerung an der Hauptstadtkultur bislang nicht wieder von den Besuchseinbrüchen während der Corona-Pandemie erholt. Insgesamt stellt die Studie einen Trend zur Verringerung von Kulturbesuchen der gesamten Berliner Bevölkerung pro Jahr fest, und zwar über alle soziodemografischen Gruppen und sozialen Milieus hinweg. Ungebrochen hingegen ist die Zufriedenheit der Berliner Bevölkerung mit dem Kulturangebot der Hauptstadt.
Die Analysen basieren auf der dritten repräsentativen Bevölkerungsbefragung zur Kulturellen Teilhabe in Berlin, die, finanziert von der Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt, im Sommer 2023 vom IKTf durchgeführt wurde. Die Studie „Kulturelle Teilhabe in Berlin 2023. Alles wieder beim Alten? Kulturbesuche und künstlerisch-kreative Freizeitaktivitäten im Nachgang von COVID-19“ finden Sie hier:
Zentrale Ergebnisse der Studie (Auswahl):
Anhaltender Trend zu immer weniger Besuchen von Kultur- und Freizeitangeboten
Die Besuchshäufigkeit der Berliner*innen bei Kultur- und Freizeitangeboten ist seit 2019 um etwa 40 Prozent gesunken. Dies gilt für die gesamte Bevölkerung über alle soziodemografischen Gruppen und sozialen Milieus hinweg, besonders jedoch für ältere Menschen ab 60 Jahren oder für Menschen mit formal niedriger Bildung. Für die Kulturelle Teilhabe bedeutet dies: Sie hat sich seit den Besuchseinbrüchen während der COVID-19-Pandemie noch immer nicht wieder erholt. Insbesondere Besuchsgruppen jenseits des „Stammpublikums“, die bereits vor der Pandemie selten unter den Besucher*innen zu finden waren, kehren nur zögerlich zurück. Zugleich hat sich die Gruppe der Nichtbesucher*innen bei einigen Angeboten seit 2019 verdoppelt.
Besuchsrückgang ist insbesondere bei klassischen Kulturangeboten feststellbar
Die Pandemiezeit hat insbesondere zu einer Entwöhnung von Besuchen klassischer Kulturangebote wie Ausstellungen, Theateraufführungen, Opern‑, Ballett- bzw. Tanztheateraufführungen oder klassischen Konzerten geführt. Freizeit wird inzwischen generell häufiger zu Hause verbracht, die Bereitschaft, organisatorischen Aufwand für Kulturbesuche auf sich zu nehmen, ist gesunken. Die Sorge um Ansteckung mit Krankheiten bei Kulturbesuchen ist vor allem für ältere Menschen zum dauerhaften Hinderungsgrund geworden. Jüngere Menschen hingegen vermissen bei klassischen Kulturangeboten zunehmend herkunftskulturelle Diversität, die Option der Mitgestaltung und wünschen sich, dass der Kulturbereich stärker auf Umwelt und Klimaschutz achtet. Mehr als ein Drittel der Bevölkerung (38 Prozent) empfindet das Kulturangebot als nicht an sie gerichtet, rund 25 Prozent empfindet den Charakter von klassischen Kulturveranstaltungen als zu steif. Insbesondere die Unter-30-Jährigen, die dort sowieso eher selten anzutreffen sind, fühlen sich dort fehl am Platz.
Sehr hohe Zufriedenheit mit dem Berliner Kulturangebot
Stabil dagegen bleibt die Wertschätzung für die Berliner Kultur: In der Zeitreihe 2019 bis 2023 äußern 96 Prozent der Berliner*innen den Wunsch, das Kulturangebot der Hauptstadt auch für kommende Generationen zu erhalten, 84 Prozent befürworten die Förderung des klassischen Kulturangebots mit öffentlichen Mitteln. Deutlich niedriger als die Gesamtzufriedenheit fällt jedoch die Zufriedenheit im direkten Wohnumfeld aus: Am besten schneiden die Innenstadtbezirke ab, in den Außenbezirken, vor allem im Nordosten Berlins, sieht die Zufriedenheit schlechter aus.
Selbst künstlerisch-kreativ tätig sind vor allem unter-30-jährige Berliner*innen
Pandemiebedingt hat sich der Anteil der Bevölkerung, die in ihrer Freizeit künstlerisch-kreativ aktiv sind, seit 2019 vorübergehend erhöht. Das Aktivitätslevel sank inzwischen aber wieder auf das vorpandemische Niveau. Dabei verbringt die Berliner Bevölkerung ihre Freizeit am liebsten in Gesellschaft: zum Beispiel mit Musizieren, Theater spielen oder Singen. Nach wie vor sind es im Wesentlichen die unter-30-jährigen Berliner*innen, die einem künstlerisch-kreativen Hobby nachgehen. Im typischen Alter von Familiengründung und Berufstätigkeit sinkt dieser Teil jedoch auffällig. Es sind vor allem formal höher Gebildete, die in ihrer Freizeit künstlerisch aktiv sind, in auffälliger Weise aber jedoch auch jüngere Berliner*innen, die generell wenig Interesse an klassischer Kultur haben.